Die Stunde der Gartenvögel
Alle Jahre wieder im Frühling ruft der Naturschutzbund NABU gemeinsam mit dem bayerischen LBV (Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.) die Vogelfreunde auf, ihre Lieblinge, die Gartenvögel, zu zählen. Und das immerhin seit zwölf Jahren. Besser spät als nie, sollte man meinen. Denn in Großbritannien ist dies schon seit vielen Jahrzehnten Usus. Aber egal, wir wollen ja nicht meckern …
Nicht, dass mir die Vogelzählung im Übrigen entgangen wäre. Allerdings hatte ich der „Stunde der Gartenvögel“ keine große Beachtung gewidmet, sodass der Zeitpunkt stets an mir vorüberging. Was mir letztlich auch schnuppe war. Doch seit ich mich mit meinem Vogelblog befasse, ist das anders – ich registriere plötzlich vieles, von dem ich teilweise nicht mal wusste, dass es existiert. Selektive Wahrnehmung nennt man so etwas wohl.
Gut informiert durch den Naturschutzbund Deutschland
Eigentlich war ich auf die NABU-Webseite gesurft, weil ich eine Vogelführung mitmachen wollte. Ich hatte irgendwo von einer Wanderung gelesen, die um 8 Uhr beginnen sollte – nach dem Motto: Früher Vogel fängt den Wurm. Das war mir zum Aufstehen denn doch zu früh – hab ich auch nicht nötig, da ich generell keine Würmer esse. Daher hoffte ich, auf der Website eine andere, spätere Führung zu finden. Stattdessen fand ich die Zählung.
Vogelzählung 2016
Mein Interesse war entfacht. Denn ich las auf der Webseite des NABU Berlin:
„Je mehr Menschen an der Stunde der Gartenvögel teilnehmen, desto präziser werden die Ergebnisse. So werden individuelle Fehler minimiert. Einige Teilnehmer werden weniger Vögel sehen als der tatsächlichen mittlere Vogeldichte in diesem Gebiet entspricht, andere werden mehr Vögel beobachten. So werden sich die Zählungen ausgleichen und einen repräsentativen Überblick über die Verbreitung unserer Gartenvögel bieten. (…)
Ziel der Aktion ist ein deutschlandweites und möglichst genaues Bild von der Vogelwelt in unseren Städten und Dörfern zu erhalten. Dabei geht es nicht um exakte Bestandszahlen aller Vögel, sondern vielmehr darum Anteile und Trends von Populationen zu ermitteln. Damit dieser Anteil repräsentativ ist, sollen die Populationsdaten über mehrere Jahre verglichen werden. So werden neue Kenntnisse zur Entwicklung einzelner Vogelarten sowie zu regionalen Unterschieden gewonnen.“
Für mich stand schnell fest: Dabeisein ist wie immer alles. Oder anders ausgedrückt:
Ich wollte selbst mitzählen!
Also als Nächstes die „Arbeitsanleitung“ durchgelesen und hä? Nicht verstanden, was zu tun ist, außer eine Stunde lang Vögel zu zählen. Okay, nochmals Aufgabe lesen. Und nochmal. Hm. Ich rief beim NABU an und ließ mir das Prozedere erklären. Ah, eigentlich ganz einfach, wenn´s gut bzw. besser erläutert wird als auf dem Flyer. Hinsetzen, Menge der aufkreuzenden Vögel der jeweiligen Art notieren, eine Stunde lang, fertig. Einsenden, ein gutes Gefühl haben, etwas zum Umwelt- und Naturschutz beigetragen zu haben und mit etwas Glück gewinnen. Gegen ein Trekking-Bike hätte ich definitiv nichts einzuwenden.
Verregnete Pfingsten
Das gesamte Pfingstwochenende stand zu meiner freien Verfügung, doch verhieß der Wetterbericht nichts Gutes. Daher beschloss ich, die erstbeste Gelegenheit beim Schopfe zu packen, um mein Zähl-Soll zu erfüllen. Samstag, 11 Uhr, sehr kalt, aber sonnig und trocken. Okay. Papier, Stift, Fotoapparat und Ton-Aufnahmegerät (Man weiß ja nie!) geschnappt, Kissen unter den Arm geklemmt und ab vor die Tür. Auf dem grünen Platz vor unserer Wohnung ist vogeltechnisch immer viel los. Also warum in die Ferne schweifen?
Frostbeule ohne Sitzfleisch
Ich legte das Kissen auf die im Schatten liegende Bank und wartete.
Keine zwei Minuten später war mir schon so kalt, dass mir eine Stunde draußen zu verharren zu lang erschien. Also Utensilien geschnappt und auf eine Bank in der Sonne gewechselt. Hier war es schon besser, allerdings konnte ich nichts mehr sehen, da mich die Sonnenstrahlen blendeten. Außerdem war mir bald langweilig, weil offenbar alle Vögel beschlossen hatten, mit Abwesenheit zu glänzen. Ich kapitulierte. Für heute konnten mir sämtliche Gartenvögel dieser Erde gestohlen bleiben!
Neuer Tag, neues Glück
Einen Tag später versuchte ich es erneut. Diesmal mit einem anderen Ziel: den Stadtpark. Glücklicherweise erwischte ich eine Regenlücke von ca. anderthalb Stunden (was ich natürlich nicht vorher wusste, ich hatte nur den richtigen Moment gewählt). Dieses Nicht-Regen-Intervall nutzte ich, um mir eine sonnengewärmte Bank zu suchen, Bäume, Büsche und Gras gab es wie überall im Park selbstredend in Hülle und Fülle. Wie schon gestern mit dabei: Die farbige „Zählhilfe“ des NABU, ein Blatt, auf dem die wichtigsten Vogelarten bildlich dargestellt sind. Sehr hilfreich für Laien auf dem Gebiet der Vogelkunde und deshalb ein unbedingtes Must-have!
Wenig Masse, aber viel Klasse im Park
Im Lauf der folgenden Stunde, die ich mit Beobachtungen, Notizen und einem netten Gespräch mit einem Passanten, kurz: mit Vogelkunde im Stadtpark, verbrachte, erspähte ich diesen und jenen gefiederten Zeitgenossen.
Insgesamt verzeichnete ich „nur“ 18 Gartenvögel neun unterschiedlicher Arten, darunter Stare, Rotkehlchen, Spatzen (na klar!), Ringeltauben und Nebelkrähen. Aber ich erlebte immerhin auch mein persönliches Highlight.
Dann nämlich, als ich in einem weiter entfernt stehenden Baum einen Eichelhäher sah. Welch eine Freude, denn ich finde den „Garrulus glandarius“ wunderschön. Er flog von seinem Baum aus in meine Richtung und über meine Bank hinweg – dicht gefolgt von einem zweiten Vogel seiner Art.
Kurz darauf flog der Erste mit Zweigen im Schnabel zurück zum Baum, wieder dicht gefolgt von seiner Partnerin. Letztere war ebenfalls mit Zweigen „bewaffnet“, was nichts anderes bedeutete, als dass ich Zeugin eines Nestbaus geworden war.
Das Nest des Eichelhähers
Ich hatte also den Nistplatz ausgemacht! Hurra! Ich beschloss, im Laufe der nächsten Zeit noch einmal die Stelle aufzusuchen, um vielleicht zu erleben, wie der Nachwuchs das Fliegen lernt. Die Nestlingszeit für junge Eichelhäher beträgt etwa 20 Tage. Also werde ich in knapp drei Wochen noch einmal bei dem Pärchen und seiner Brut vorbeischauen. Bin gespannt, ob und wenn ja, was mir vor Ort geboten wird …
P.S.
Die Gewinner der Vogelzählung 2016 wurden mittlerweile ausgelost. Die traurige Wahrheit: kein Trekking-Bike für mich, kein Fernglas, nicht einmal ein Buch. Seufz. Aber: Ich bin um ein Erlebnis und viele Erkenntnisse reicher. Ist ja auch etwas wert!
Ergebnisse der Vogelzählung 2016
Die Resultate der Zählerei im Frühjahr 2016 möchte ich selbstredend nicht für mich behalten. Ich beschränke mich nachfolgend auf die Top-Five.
Näheres darüber nachzulesen ist auf den Seiten des NABU. Sie waren auch Quelle für diese Tabelle!
Rang Bund
|
Vogelart | Anzahl der Vögel bundesweit (insgesamt) | Vergleich zum Vorjahr | Anzahl der Vögel Berlin (insgesamt) | Rang Berlin | Vergleich zum Vorjahr |
1 | Haussperling | 141780 | – 0,09 | 5040 | 1 | – 0,59 |
2 | Amsel | 108439 | + 0,07 | 2697 | 3 | + 0,86 |
3 | Kohlmeise | 92208 | + 0,14 | 2002 | 4 | – 0,06 |
4 | Star | 78240 | + 0,36 | 3322 | 2 | – 0,21 |
5 | Blaumeise | 73727 | + 0,14 | 1709 | 5 | – 0,01 |
Und last, but not least einige Ergebnisse, die gleichfalls von Interesse sein könnten:
Laut NABU wurden bundesweit in gut 29.600 Gärten fast 1,1 Millionen Vögel gezählt. Knapp 45.000 Vogelenthusiasten haben bei der Zählung mitgemacht. Nicht schlecht!
Für Berlin gelten folgende Zahlen: In fast 800 Gärten wurde gezählt, mehr als 28.000 Vögel wurden ermittelt. Und genau 1187 Vogelfreunde haben sich beteiligt … einer von ihnen war ich!